Index
 Sonnemann
 Jodorowsky
 Games
 Sozialpädagogik
 Bukowski
BuiltByNOF
 Ulrich Sonnemann - Sprachvirtuose & schlaues Bürschchen
Diese Seite lokal oder remote publizieren, um die Components in Ihrem Browser zu betrachten

ULRICH SONNEMANN:

1912-1993   Philosoph, Sozialwissenschaftler, Essayist; Lehrstuhl für Sozialphilosophie Gesamthochschule Kassel

Publikationen u.a.: Negative Anthropologie / Das Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten / Die Einübung des Ungehorsams

in Deutschland / Schulen der Sprachlosigkeit / Tunnelstiche / Gangarten einer nervösen Natter bei Neumond

Diese Seite soll einen kleinen Einblick in die Gedankenwelt Ulrich Sonnemanns gewähren, beispielhaft dargestellt anhand  verschiedener Schreibformen wie Aphorismen, Sonden, Glossen, Kurzessays, epischen Epigrammen uvm. Es ist nicht allein die inhaltliche Komponente, auch die die sämtlichen grammatikalischen und Sprachformen ausnutzende Schreibarbeit, die die Texte Sonnemanns mit einer gewissen Faszination auffunkeln lassen, wenngleich seine oftmals als `sperrig´ bezeichnete Weise des Ausdrucks den Leser zu genauestem Textstudium zwingt. Ich wünsche euch eine interessante Lektüre.

 

Aphorismen

 

Die Illusion, in der allgemeinen Unfreiheit einen eigenen Weg gehen zu können, der sich nicht von ihr stören ließe oder zu ihrer Zerstörung ein Beitrag wäre, führt zu einer Darmverschlingung der Seele.

 

Die alten litten für den Geist, die Späteren durch ihn, die Neueren an ihm; jetzt leidet er zum ersten Mal selber.

 

Der Fortschritt ist ein Gemeinplatz, auf welchem die Inhaber der Souvenirbuden über den Rückgang der Religion klagen.

 

Der Behaviorismus ist eine Marionettenpsychologie, die von dem Drahtzieher nichts wissen will.

 

Der gesunde Menschenverstand muß einen Grund haben, sich sowohl seine Gesundheit als auch seine Verständigkeit als auch, daß der Inhaber doch auch ein Mensch sei, immer erneut selbst zu bestätigen.

 

Das Irrationale ist der Windmühlenfeind einer irrenden Ratio.

 

Die Angst vor dem Tod verwandelt das Leben in eine Art Petroleumvorkommen.

 

Die Ideologien sind die Gummistrümpfe der alternden Ideen.

 

Das Museale ist der Rachespuk des in Spiritus sitzenden Geistes.

 

Man muß die Deutschen nicht in Links- und rechtsgerichtete, man kann sie auch in Rücken- und Bauchschläfer einteilen.

 

Wie starke Schwindel die Atomtechnik auch in uns erregt, das Ausmaß desjenigen, welcher sie selber ist, werden sie niemals erreichen.

 

Der heilige Geist ist ein Pleonasmus.

 

Die Fotographie hält etwas fest, die Malerei etwas zusammen.

 

Der Glaube, daß die Welt für eine Stange Geld zu haben sei, verwandelt sie selbst zuletzt in ein Gestänge, das Geld kostet.

 

Die Menschheit überlebt vielleicht doch; man bedenke nur die DDT-festen neuen Mücken.

 

Vor dem Elend von Roten, die längst unbeschränktem Industriewachstum grünes Licht geben, hat der Auftritt von Grünen, die es auf Rot zu schalten tätig sind, was Erheiterndes.

 

Zukunft ist von außen wiederkehrende Erinnerung; daher hat die Gedächtnislosigkeit keine.

 

Die Menschlichkeit wird nirgendwo teurer verkauft als vom Staatsapparat aller vollen und annähernden Diktaturen, also sage noch einer, die Foltermeister, die diesebeschäftigen, hätten keinen Sinn für Werte.

 

Kritik ist weder Verleugnung von Subjektivität noch deren Nabelschau, sondern ihre Verwirklichung im Objekt: sie befreit es zu seinem eigenen Subjektiven. Bedingung dafür ist, daß auf die immer bestechende Machbarkeit, urteilend es an anderm als seinem selbstverborgenen Anspruch zu messen, verzichtet wird, darum ist Kritik, die mit entdeckender Genauigkeit wenigstens diesen erfaßt, überhaupt welche.

 

Den fliegenden Untertassen fehlt es nicht an Erklärungen, sondern an Tassen.

Da es den fliegenden Untertassen an Tassen fehlt, ist es an uns, diese beizustellen; sind es doch die, die wir unhöflicherweise im Schrank haben. Solange wir darauf beharren, werden umgetriebene kosmische Neugierige nach ihrem langen und riskanten Anflug es sich zweimal überlegen, ehe sie mit uns Tee trinken.

 

Gegen den geselligen Brauch aller Völker und Zeiten, wo sich an Tischen, zumal langen, die einen Ausgleich für ihre Länge nur noch angezeigter machen, eine Gesellschaft zum Mahl setzt, nehmen auf dem Abendmahlbild Leonardos die Versammelten bloß eine Seite des Tisches ein - aber wie treffend! Ist es doch im Angesicht des nahen Nichts, das den dreizehn vorerst droht, daß getafelt wird, und schon sitzt es ihnen als mäontische Antlitzlosigkeit vis à vis.

 

Dolus eventualis. An Hinrichtungen irrtümlich Verurteilter, deren Schuldlosigkeit sich erst post mortem - manchmal wurden sie sogar gerichtsnotorisch - herausstellte, fehlt es in der langen Geschichte der Todesstrafe keinem einzigen Land und Abschnitt. Da es keinen vernünftigen Grund gibt, warum, euphemistisch geredet, dieser Casus bei künftiger Hinrichtungspraxis irgend ausgeschlossener als bei früherer sein sollte, ein gewisser Prozentsatz seines Vorkommens im Gegenteil statistisch verbürgt ist, auch diese Tatsache zu bekannt, zumal von Seiten judikativ Interessierter Ignoranzbeteugungen plausibel zu machen, nehmen die Verfechter der Todesstrafe billigend präzise die Tat in Kauf, der ihre spezielle Entrüstung gilt: Mord. Schlicht nach strafgesetzlichen Kriterien - wendete eben nur die Justiz sie auf Menschen an, an deren Eignung dazu, kriminell gehaltvoll zu sein, sie aus Ursachen von tiefer Verborgenheit selten denkt - sind sie mit ihrer Propaganda somit nachweislich, ja auf das denkbar direkteste Mordanstifter, ergo wäre es praktisch, ja vor dem nächsten Aufflammen dieser Agitation - das in Deutschland bestimmt kommt - sehr wünschenswert, spräche der Sachverhalt sich sowohl weiter als bisher herum als auch eine Spur unverblümter.

 

Vorgeschobene Beweggründe verraten sich durch nachgeschobene Argumente.

 

Hoffnungsloser unmöglich als die Quadratur des Zirkels ist die Zirkulatur des Quadratschädels.

 

Man sage doch nicht, daß der real existierende Sozialismus für die unauffällige Vorbereitung eines vollkommen anden nichts abwerfe! Auch die Schlange, die man steht, kann zum Baum der Erkenntnis verführen.

 

Kurzessay

Daß die Logik wie alles auch die regeln und Formen, denen die Syntax folgt, ordnen kann, ruft den irrigen Eindruck hervor, sie ließen sich mit Mitteln der Logik begründen, mithin aus ihr ableiten. Die Entdeckung, daß sie es nicht im geringsten tun, offenbart die Angewiesenheit der logischen Ordnung auf eine der Sprache, die sich weder von ihr überschreiten noch hinter die sich zurückgehen läßt: welcher Satz der Logik etwa bestünde - was die Abhängigkeit, der hier widersprochen wird, genau umgekehrt - ohne die ihm unauffällig erst von Seiten der Grammatik zur Verfügung stehenden Deklinationsfälle?     Der famose Anspruch für das Logikkalkül , mit dieser Ordnung des Horizont selber - der so klar und so offenbar unverbrüchlich für das Denken die Sprache ist - überholt zu haben, ist in erstaunlichem Gegensatz zu dem würdigen Werkzeug, für das er erhoben wird und dem er diese Leistung ebenso erbarmungslos abverlangt wie er sie ihm forsch unterstellt, bloß ein Denkfehler. (Offenbar bleibt besagte Vorzüglichkeit einem sie betreffenden, wenn er ihr auch nicht selber passiert, doch sehr ausgesetzt!) Daß das Logikkalkül der Logik entspricht, mag so einwandfrei begründbar wie jeder lehrsatz in der Mathematik sein, aber wo nähme man eine Begründung her, an deren unabdingbarer Sprachlichket jene archimedische Ambition nicht zerschellte?

 

 

 

Betätigt ihr euch auch gerne als Aphorismenschmiede?  Habt ihr auch von Zeit zu Zeit geradezu vor Genialität schillernde Gedanken, die ihr in unnachahmlicher Weise zu Papier bringt? Ich dachte daran, eine neue Seite mit gesammelten Erleuchtungen aufzumachen, wenn ihr mögt, mailt mir euer Verfaßtes und ich werde es auf eine neue Seite setzen. Mit Ulrich Sonnemann geht es weiter bei den shortcuts.

Untergänge

Diese Seite lokal oder remote publizieren, um die Components in Ihrem Browser zu betrachten

Wiedergänge

Epische Epigramme

[Index] [Sonnemann] [Jodorowsky] [Games] [Sozialpädagogik] [Bukowski]

Umtriebiges